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augen, zu groß für meinen kopf
foto: emma dilemma
photocase.de

ich hatte könig aslan noch im kopf. aslan und narnia, lucy und ihre geschwister und dieser geheimnisvolle schrank. ich weiß, ich bin schon viel zu alt, um an solche sachen zu glauben. aber mal ehrlich: ab wann darf man denn nicht mehr an geschichten glauben? wann ist die richtige zeit? und wer bestimmt das? kann ich nicht bestimmen, dass jetzt eben noch nicht die richtige zeit ist? doch. ich kann.
das alte haus meiner großmutter ist wie das haus des professors in der geschichte von narnia. und ich bin wie lucy. ich lasse mir nichts erklären, wenn ich es selber herausfinden kann. ich lasse mir nichts verbieten, wenn ich den sinn dahinter nicht verstehe. ich lasse mir nichts einreden, nur weil ich die kleinste bin. ich kann das alleine. und ich will das alleine.
und was ich noch will, ist der narnia-moment. ich will diesen moment erleben, wo ich die türe öffne, den schweren geruch von pelzmänteln und mottenkugeln rieche und mich hineintaste in eine neue welt. ich will die welt hinter der welt erleben. die welt hinter dem schrank, jenseits dessen, was ich kenne. und wenn sie für lucy im alten schrank des professors begann, warum nicht auch für mich?

ich lief durch das alte haus. meine großmutter bewohnte schon lange nur mehr einen raum. die übrigen standen leer – und waren doch gefüllt mich schätzen. mit alten sofas und kommoden, schränken und bildern, teppichen und tischen, stühlen und gardinen und truhen. der schmuck von jahrzehnten stand hier und nur der staub nahm ihn in besitz.
es hatte alles meiner familie gehört, immer schon. es gehört damit auch mir. aber was hat es mit mir zu tun? ich müsste hier einziehen, ich müsste meine welt in deckung mit dieser hier bringen, denn sonst bliebe es mir für immer fremd.
ich gehe weiter, ich öffne schubladen und blättere durch bücher. ich ziehe mit meinem finger einen streifen durch die staubschicht auf dem alten sekretär.
ich gehe weiter durch das haus und bleibe vor einem schrank stehen. ich merke, wie mein herz anfängt, schneller zu schlagen. ich habe ein gefühl im bauch, eine aufregung, die ich nicht bestimmen kann. der schrank ist groß und schwer. er steht direkt neben dem fenster.
ich öffne eine tür und schaue hinein. es ist kein narnia-schrank. hier hängen keine mäntel, hier ist auch keine versteckte tür in eine andere welt. vielleicht gibt es sie doch nicht. vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, nur erträumt. und doch - irgendwas ist hier. ich schaue genauer hin.
ich bin gefangen von einem alten globus, der die welt so anders darstellt, als sie wirklich ist. wie meine, denke ich bei mir selbst. die ist auch ganz anders, als sie sein sollte. da wo die leute kontinente vermuten, ist bei mir wasser. dort, wo die leute ein meer erwarten, ist bei mir land. dort wo es heiß sein sollte, ist bei mir die antarktis. komisch, wie bei diesem alten globus. noch nie hat mich jemand so verstanden, wie er. er ist teil meiner familie, wie hoffnungsvoll.
ich öffne eine andere schranktür und finde alte kleider. sommerkleider und röcke, blusen und schuhe. und vieles, in dem ich meine großmutter sehe. ich sehe sie über die wiese laufen und in die schule gehen. ich sehe in diesen kleidern sie und in ihr eine alte version von mir. vielleicht sind wir gar nicht so verschieden, denke ich. vielleicht trennt uns nicht die art und weise wie wir sind, sondern nur die zeit.
ich nehme eine bluse aus dem schrank. weiß ist sie mit rüschen und goldenen knöpfen. ein altes bild fällt mir ein, meine großmutter hat diese bluse getragen, als ich getauft wurde. ich habe das foto vor augen. sie hält mich, ihre großen augen glänzen von tränen. sie sind groß und traurig und fröhlich gleichzeitig.
ich ziehe die bluse an. sie passt, als wäre sie für mich geschneidert worden. sie riecht alt, aber nicht so, als hätte sie seit jahrzehnten hier gelegen. sie sieht aus, als wäre sie für mich bereit gelegt worden. wusste jemand, dass ich komme?
die mitteltür ist nicht aus dem selben dunklen holz wie der rest, sondern aus glas. ich öffne schließlich auch sie und ertaste die gegenstände. staubbedeckte schüsseln und goldrandverzierte teller. das familiengeschirr. ich habe nie davon gegessen. der anlass war nie groß genug, als dass es geholt wurde. es sei nur für besondere gelegenheiten, hieß es. doch in all den jahren kamen sie nicht. die gelegenheiten waren nie besonders, sie waren immer nur normal. aber jetzt ist die gelegenheit. ich bin hier. ich bin wieder zu hause. ich komme an im haus meiner familie und nach all den jahren in der familie selbst. dieser schrank ist doch ein narnia-schrank. nicht in eine andere welt, aber in die welt meiner familie zurück. ich bin zurück. ich bringe die besonderen gelegenheiten mit. ich bin der grund zu feiern. ich nehme meinen platz ein. ich schließe den schrank, meine augen sind groß und traurig und fröhlich gleichzeitig. wie die meiner großmutter.
 

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